Ein halbvolles Häferl ohne Inhalt (Teil 1)

Bobby M. steht vor dem Buffet-Tresen. Sieben vor zwölf zeigt seine Uhr. Er hat seine Jause zu Hause vergessen – das passiert ihm sonst nie. Aber heute ist es halt passiert. Jetzt überlegt er, was er kaufen soll. Chicken Nuggets oder einen Chicken Burger oder eine Pizza oder Kartoffel-Wedges, oder ein Weckerl, oder ein*e Joghurt oder doch einen Salat? Neben ihm bestellt jemand einen Chicken Burger. Die beliebteste Speise in diesem Laden. „Das wären zwei achtzig.“ Doch dann denkt er an die armen Hühner, die wer weiß wo herkommen. Und mit Antibiotika vollgepumpt sind. Dann vielleicht doch etwas Pflanzliches?

Die Kartoffeln? Oder Erdäpfel, wie der*ie Wiener*in sagt. Die hat er sonst immer bei seinen Freunden mitgegessen. Die waren immer gut gewürzt. Aber seitdem er das mit Glyphosat abgetötete Kartoffelfeld gesehen hat, ist ihm der Appetit auf diese knorrigen Knollen vergangen. „Was kann ich für dich tun?“, fragt die Person gegenüber dem Tresen – „Ähm…“

„… Einen Salat, bitte. Den mit Schafkäse!“ – „Gerne!“. Er hat den Salat genommen, weil er dazu keine negativen Erfahrungen hat. Aber das kann sich ja noch ändern. Eine große Plastikbox wird vor ihm hingestellt. Und… . Gut, das eine Mal seinen Plastik-Vorsatz zu missachten, verzeiht er sich. „Aber sind Einweg-Plastikverpackungen nicht seit 2021 in der EU verboten?“, denkt er sich. „Das macht zwei siebzig!“ Ups, für ein konventionelles Gemisch schon viel – aber das ist halt der Buffet-Aufschlag. Er legt drei Ein-Euro-Münzen hin, sie gibt ihm drei Zehn-Cent-Münzen zurück.

Nach dem Essen weiß er nicht, was er jetzt mit seinem Plastik Müll machen soll. Er beschließt, ihn auf den Weg nach Hause in die Gelbe Tonne zu schmeißen. Denn ob der Müll hier richtig entsorgt wird, ist nicht immer klar. Dann hat er noch Lust auf etwas Süßes. Zudem benötigt er noch etwas Energie, um den restlichen Schultag zu überleben. 1,3€ hat er noch übrig. Vielleicht wieder einmal ein Muffin. Vielleicht den, den er vor vier Jahren das letzte Mal verzehrt hat. Kostete damals nur 1€.

„Was kostet ein Schokomuffin?“
„Eins siebzig.“
„Oh, war der nicht mal billiger? Warum sind die Preise so gestiegen?“
„Weil wir in der Inflation sind…“
„Aber…“
„…Wir sind seit fünf Jahren überhaupt nicht teurer geworden.“
„Oh, ok, ok, danke!“

Dann halt ein Heißgetränk. Schoko-Cremé. 70 statt 60 Cent kann er sich leisten. Wahrscheinlich zu 100% nicht Fairtrade. Daran hat er sich schon vor vier Jahren gewöhnt. Aber er will nicht noch einmal seine Plastik-Regel brechen. Zum Glück kann man ja beim Getränkeautomaten seine eigene Tasse drunterstellen. Nur: Er hat keine mit. Er fragt freundlich beim Lehrerzimmer – und bekommt sogar eine frisch gewaschene. Das Motiv auf dem Häferl ist schon ein bisschen ausgeblichen – sie ist anscheinend eine viel benutzte. Nun wirft er die Münzen ein und hält seine Tasse drunter. Von einigen Schüler*innen – die um ihn stehen – wird er skeptisch angeschaut. Er schaut skeptisch zurück. Sein ¼ Liter Häferl wird etwas mehr als zur Hälfte gefüllt. Die 180 Milliliter halt. Doch der Inhalt wird immer weniger – der Schaum löst sich auf. Der Kakao-Spiegel sinkt drastisch ab. Dann führt er die Tasse zu seinem Mund – bevor alles verschwindet. Sie riecht gut. Er berührt sie mit seinen Lippen. Sie … ok, lassen wir das. Kurzgefasst: Er trinkt, schmeckt aber zum Großteil Kaffee. Anscheinend haben die Vorbenutzer*innen dieser Tasse diese mit Kaffee gefüllt. Wahrscheinlich randvoll. Und dummerweise hat das Häferl diesen Geschmack auch aufgenommen. Dann überlegt er, welche Lehrer*innen schon an diesem Häferl genuckelt haben hätten könnten. Grausend stürzt er hastig den Rest in sich hinein. Da läutet es zur fünften Stunde…

Fortsetzung folgt nächste Woche.

180

Milliliter Flüssigkeit fasst ein Automaten-Plastikbecher

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