Als ein naturbegeisterter und streng religiöser Kleinstädter gibt sich der Protagonist von „Alle Toten fliegen hoch. Teil 1: Amerika“ aus, um einen der heißbegehrten Plätze bei einer Gastfamilie, in Amerika, zu ergattern. Seinen – geheuchelten – Leidenschaften wird entsprochen: Denn im Endeffekt landet er weder in New York noch in Chicago. Nein, seine Gastfamilie lebt in Laramie, Wyoming. Dort hat er nicht nur einen weiten Ausblick über die Prärie, sondern auch ein Pferd zum Reiten und die Rocky Mountains.
Wir kamen durch Chayenne. Er sagte zu mir: „One more hour to go!“ Der Highway führte durch freigesprengte Felsschneisen und an tiefen Schluchten vorbei. Erst da wurde mir endgültig klar, dass das, was ich auf dem Fragebogen angekreuzt hatte, gründlicher in Erfüllung gehen würde, als ich es mir bis jetzt hatte vorstellen können. Und während ich mich immer weiter in diese fahle Einöde hineinbohrte, dachte ich an die anderen Austauschschüler, diese blasierten Angeber, die schon bald in Kalifornien auf dem Surfbrett liegend auf die Welle ihres Lebens lauern würden.
Mit seinem kleinen Wortschatz und hagerem Körperbau macht er sich hoffnungsvoll auf die Reise.
Sein neuer Stundenplan umfasst nicht nur einen abwechslungsreichen Unterricht, der Ich-Erzähler geht auch auf Partys, lernt Mädchen kennen und schreibt Briefe an einen Häftling, der einen Doppelmord in Babelhausen begangen haben soll. Mit seiner Gastfamilie läuft es eigentlich ganz gut. Wäre da nicht der jüngste der drei Brüder. Der verabscheut den deutschen Gast bis zum Gehtnichtmehr. Naja, nicht alles kann halt perfekt sein…
Mitten im seinem Auslandsjahr reist er auch einmal zurück nach München, um an der Beerdigung seines mittleren Bruders, der bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, teilzunehmen. Die Trauer seiner Eltern führt ihn regelrecht dazu, wieder nach Amerika zu „flüchten“.
Nach einem ganzen Jahr reist er als muskulöser, fließend Englisch sprechender junger Mann endgültig nach Deutschland. Dort warten nicht nur seine Freundin und seine Familie auf ihn. Nach ein paar Tagen kriegt er auch noch Besuch von dem Häftling, welchem er Briefe geschrieben hat. Der lebt jetzt wohl oder übel bei seinem Brieffreund…
Der Roman ist in der Ich-Perspektive geschrieben. Und das nicht ohne Grund. Joachim Meyerhoff erzählt hier nicht nur irgendeine Geschichte. Es ist seine eigene Geschichte – wie er ein Jahr lang in Amerika gelebt, gelacht, geweint und geliebt hat und als welcher Mensch er zurück nach Hause gekommen ist. Im Grunde genommen hat er sich mit sich selbst auseinandergesetzt, sich selbst durchschaut – und das mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Witz. Weil wer nicht selbst über sich lachen kann…
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siehe auch:
Im angeführten Interview (mit Iris Radisch) erläutert der Autor/Schauspieler die Gründe für seine schriftstellerische Tätigkeit – die eigene Geschichte, die erst fassbar geworden war, als bzw. weil er sie aufschrieb. (Zitat Meyerhoff: Ich komm eben nicht aus Irland, aus einer Arbeiterfamilie und wurde geschlagen, würde aber trotzdem gerne was erzählen…)
Aktuelles:
Übrigens – als Schauspieler wirkt Joachim Meyerhoff zurzeit am Wiener Akademietheater in „Die Welt im Rücken“ (Premiere: 11. März 2017)
https://www.burgtheater.at/Content.Node2/home/burgtheater/ensemble/Meyerhoff_Joachim.php