Der Pädagoge Robert Baldauf wartet jetzt auf die Rückkehr der Normalität.
Von Uwe Mauch
Genau vor einer Woche, am Montag, kamen drei Schüler in den Unterricht, am Dienstag war dann nur noch einer da. Auch der blieb ab Mittwoch aus. Nach dem zweiten Pausenläuten tat Direktor Robert Baldauf daher, was zu tun ist: Er schickte die beiden Kolleginnen aus dem Journaldienst nach Hause. Die Schule ist seither leer.
Baldauf ist seit 33 Jahren Lehrer für Deutsch und Sport, seit sieben Jahren Direktor in einem Gymnasium in Wien-Erdberg, seit einem Jahr aufgrund seiner großen schulischen Erfahrung Mitglied des KURIER-Bildungsbeirates. „Doch so eine Situation habe ich noch nie erlebt.“
Der KURIER hat ihn an seinem Arbeitsplatz besucht.
Gespenstisch still
Mit Ausnahme des Schulwarts und des Administrators ist er jetzt alleine im Haus. Keine Kinderstimmen auf dem Gang, niemand im Lehrerzimmer, alle Sessel auf den Tischen in den Klassenzimmern: Das mehrstöckige Gebäude in der Hagenmüllergasse wirkt gespenstisch still. Im Moment stört das den Direktor nur bedingt: „Ich muss die Lehrfächer für das nächste Schuljahr einteilen.“ Niemand hält ihn davon ab: „Damit werde ich schneller fertig sein als sonst.“
Doch schon im nächsten Moment sagt Robert Baldauf: „Eine Schule, in der sich nichts tut, da fehlt was. Das Schöne an meinem Beruf sind doch die vielen sozialen Kontakte.“ Selbst Streitschlichten würde er jetzt lieber als nur seine Tabellen bearbeiten. Wobei: „Schüler loben wäre mir natürlich noch lieber.“
660 Junge Menschen gehen an regulären Schultagen in dieses Gymnasium und werden hier von 75 Lehrern und Lehrerinnen betreut. Robert Baldauf zeigt sich begeistert von der Eigeninitiative seiner Kollegen und von der Solidarität der Eltern: „Gut, wir sind keine Volksschule mehr, da ist es aufgrund des Alters der Kinder etwas leichter, aber alle Seiten haben voll mitgezogen.“
Während er das sagt, betritt Administrator Peter Eichberger mit einem Lächeln das Büro des Direktors: „Ich habe soeben mit meiner sechsten Klasse eine Stunde Mathematik gemacht. Sehr spannend, das Arbeiten mit den Kindern in ihrem Homeoffice hat sehr gut funktioniert.“
Schüler im Homeoffice
Vor wenigen Tagen schien das kollektive Arbeiten von zu Hause aus noch unmöglich: „Da haben wir gedacht, dass wir in abgespeckter Variante die Präsentation der von wissenschaftlichen Arbeiten durchführen können“, erinnert sich Direktor Baldauf, als wäre das schon eine Ewigkeit her. Die rasante Coronavirus – Ausbreitung hat auch diese Einrichtung von einem Tag auf den anderen überrollt.
Zu Beginn der Vorwoche streikte dann bei den Schülern und Lehrern der digitale Nachrichtendienst Messenger. Robert Baldauf ist froh, dass an seiner Schule seit Jahren auch andere Lern – Plattformen verwendet werden.
Anderes macht dem Pädagogen mehr Sorgen: „Wenn der Schulbetrieb nicht bald nach Ostern wieder aufgenommen werden kann, bekommen wir nach hinten terminlich Probleme, vor allem mit der Matura.“ Doch er sieht ein Hintertürl: „Wenn wir das Matura – Vorsitzenden – System ausnahmsweise etwas lockern dürfen, könnten wird die Mündliche in einer statt in vier Wochen in ganz Wien durchführen.“
Ins Auge fasst Robert Baldauf auch, dass die Sommerferien später starten: „Ich persönlich habe damit kein Problem, auch wenn ich Mitte Juli gerne auf Urlaub fahren würde. Aber entscheidend muss für uns alle sein, dass unsere Schüler im Sommer alle Fristen einhalten können.“Und dann schaut doch noch jemand in der Direktion vorbei. Ein Bub aus der Unterstufe möchte ein Buch abholen und somit den Direktor bitten, ihm seine Klasse kurz aufzusperren. Dieser freut sich sichtlich über den unerwarteten Besuch.
Quelle: Kurier von 23.3.2020