Russland und Ukraine untrennbar verbunden durch die Geschichte, steht jetzt vor einem Wendepunkt. Rund 130 000 russische Soldaten sind an der Grenze stationiert – ein Krieg droht.
Ein Konflikt zwischen der Ukraine und Russland würde die über Jahrhunderte bestehende Verflechtung der Kulturen zu einem blutigen Ende bringen. Sind doch sowohl Russen als auch Ukrainer Nachkommen von Slaven, Landarbeitern, die zwischen Europa und der Steppe eingekeilt sind. Beide haben unter dem mongolischen, zaristischen und bolschewistischen Joch gelitten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion trennten sich die Länder. War die gemeinsame Vergangenheit doch so stark, dass nicht einmal der von Russland unterstützte Konflikt in der Ostukraine vollständig rückgängig machen konnte.
In den späten 1990er und frühen 2000er Jahren beobachteten Russland und die Ukraine, zwei souveräne Staaten, einander aus der Ferne und bauten eifrig an ihrer Zukunft. Mit den Unmengen an Ölgeld schnitt Russland wirtschaftlich unbestreitbar besser ab; viele Ukrainer suchten Arbeit in großen russischen Städten wie Moskau. Wurde Russland aber auch autoritärer, während die Ukraine trotz aller Schwierigkeiten einem demokratischeren Weg verpflichtet zu sein schien.
Aber die Annexion der Krim durch Präsident Wladimir Putin im März 2014 öffnete erneut die Büchse der Pandora: die Sowjetunion 2.0, nur dieses Mal ohne Gleichheit oder internationale Brüderlichkeit, nur Gier, eingehüllt in den alten Glauben vieler an das Recht Russlands, „kleinere“ Nationen in seinem Umkreis zu regieren. Über Nacht wurde aus der einst beliebten Schwesternrepublik, in den Worten der Kreml-Propaganda, „Faschisten“ und „NATO-Marionetten“. Es blieb nicht beim Wortgefecht.
Doch ist im Gegensatz zu damals jetzt nicht nur die Ostukraine bedroht, sondern das ganze Land. Nach monatelangen Spekulationen und Drohungen steht die Ukraine am Rande eines Krieges. Es wäre nicht der erste Konflikt in den das postsowjetischen Russland isoliert war. Georgien, Moldawien und Tschetschenien waren alle Teil eines militärischen Konfliktes mit einem vorhersehbaren Ergebnis: Russland gewann hier, sie verloren.
Aber ein Krieg mit der Ukraine wäre anders. Russland hat sich lange gegen den Schritt der Ukraine in Richtung europäischer Institution, sowohl der NATO als auch der EU, gewehrt. Ihre Kernforderung ist jetzt, dass der Westen garantiert, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt. Zurück geht der Streit in das Jahr 2014, wo die Ukraine ihren pro-russischen Präsidenten absetzten. Russland annektierte die südliche ukrainische Halbinsel Krim und unterstütz Separatisten, die große Teile der Ostukraine eroberten. Seitdem haben die Rebellen das ukrainische Militär in einem Konflikt bekämpft, der mehr als 14 000 Menschen das Leben gekostet hat.
Seit Februar 2015 haben Frankreich, Deutschland, Russland und die Ukraine versucht, durch die Minsker Vereinbarungen ein Ende der Gewalt auszuhandeln. Das Abkommen enthält Bestimmungen für einen Waffenstillstand, den Abzug schwerer Waffen und die vollständige Kontrolle der ukrainischen Regierung in der gesamten Konfliktzone. Die Bemühungen um eine diplomatische Einigung und eine zufriedenstellende Lösung blieben bisher jedoch erfolglos.
Im Dezember 2015 verloren mehr als 225.000 Menschen in der gesamten Ukraine bei einem Angriff die Stromversorgung, und im Dezember 2016 kam es in Teilen von Kiew nach einem ähnlichen Angriff auf ein ukrainisches Versorgungsunternehmen zu einem weiteren Stromausfall. Im Juni 2017 wurden Computersysteme von Regierungen und Unternehmen in der Ukraine von der NotPetya-Cyberattacke getroffen; Der lähmende Angriff, der Russland zugeschrieben wird, breitete sich weltweit auf Computersysteme aus und verursachte Schäden in Milliardenhöhe.
Im April 2019 wird der Komiker und Schauspieler Wolodymyr Selenskyj zum Präsidenten gewählt, der bei seiner Wahlkampagne schwor, Frieden mit Russland zu schließen. Seine frühen Bemühungen um eine Lösung der Gewalt wurden von Präsident Trump gebremst, der kurzzeitig die US-Militärhilfe für die Ukraine blockiert und Selenskyj vorschlägt, stattdessen mit Putin zusammenzuarbeiten, um die Krise zu lösen. In einem Telefonat mit Präsident Trump im Juli 2019 bittet Selenskyj um einen Besuch im Weißen Haus, um sich mit Trump über die Unterstützung der USA für die Bemühungen der Ukraine, Russland abzudrängen, auszutauschen. Trump bittet Selenskyj um „einen Gefallen“: Ermittlungen gegen den Energiekonzern Burisma und die Bidens. Ein Whistleblower des Weißen Hauses beschwert sich, was im Dezember 2019 fast zur Amtsenthebung von Präsident Trump führte.
Vorerst herrschte Frieden, doch dieser währte nur bis April 2021, als Russland rund 100 000 Soldaten an die Grenze der Ukraine schickte; angeblich für eine Militärübung. Obwohl nur wenige Analysten glauben, dass eine Invasion unmittelbar bevorsteht, fordert Selenskyj die NATO-Führung dringend auf, die Ukraine auf einen Zeitplan für die Mitgliedschaft zu setzen.
Zwei Jahre nach seiner Verstrickung mit Ex-Präsident Trump besucht Selenskyj das Weiße Haus, um sich mit Präsident Biden zu treffen. Biden betont, die USA bekennen sich „zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine angesichts der russischen Aggression“, wiederholt aber, dass die Ukraine die für einen NATO-Beitritt erforderlichen Bedingungen noch nicht erfüllt hätte.
Im Dezember drängte Präsident Biden Russland in einem Telefonat mit Putin, nicht in die Ukraine einzumarschieren. Putin bittet daraufhin die NATO, die Ukraine dauerhaft von der Mitgliedschaft auszuschließen und die Truppen abzuziehen, die in Ländern stationiert sind, die der Allianz nach 1997 beigetreten sind, darunter die baltischen Staaten und Rumänien. Putin fordert auch eine schriftliche Antwort der USA und der NATO.
Das Jahr 2022 beginnt mit der Angst vor dem Krieg. Zwar teilt Anfang Jänner der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow US-Beamten mit, dass Russland keine Pläne habe, in die Ukraine einzumarschieren, befiehlt er jedoch auch den Familien des Botschaftspersonal, die Ukraine am 23. Jänner zu verlassen.
Diplomatische Bemühungen nehmen in ganz Europa Fahrt auf. Präsident Biden ordnet die Verlegung von 1.000 US-Truppen von Deutschland nach Rumänien und die Entsendung von 2.000 zusätzlichen US-Truppen nach Polen und Deutschland an. Russland und Weißrussland beginnen am 10. Februar mit gemeinsamen Militärübungen, bei denen rund 30.000 russische Truppen im Land entlang der Nordgrenze der Ukraine stationiert sind.
Die USA und Großbritannien fordern ihre Bürger auf, die Ukraine am 11. Februar zu verlassen. Präsident Biden kündigt die Entsendung weiterer 2.000 US-Truppen nach Polen an.
Das Außenministerium befiehlt den Familien des Botschaftspersonals, die Ukraine am 23. Januar zu verlassen. Die NATO stellt am nächsten Tag Streitkräfte in Bereitschaft, einschließlich der USA, die 8.500 Soldaten in den USA anweisen, einsatzbereit zu sein.
Vertreter der USA und der NATO liefern ihre schriftlichen Antworten auf Putins Forderungen am 26. Januar. In den Antworten sagen Beamte, dass sie der Ukraine den NATO-Beitritt nicht verbieten können, signalisieren aber ihre Bereitschaft, über kleinere Themen wie Rüstungskontrolle zu verhandeln.
Während sich die militärische Pattsituation zwischen Russland und dem Westen entlang der ukrainischen Grenze verschärft, entfaltet sich ein separater „Krieg“ in den sozialen Medien. TikTok-Videos sind auch zu einer Quelle für Forscher geworden, die Russlands Aufbau von mehr als 100 000 Soldaten nahe seiner Grenze zur Ukraine verfolgen. Social-Media-Nutzer haben in den letzten Wochen Tausende von Kommentaren zu Instagram-Posts von inoffiziellen Konten des russischen Präsidenten Wladimir Putin hinterlassen. Zwei Beispiele:
Solche, oder ähnliche Kommentare, sind in Vielzahl auf den sozialen Medien zu finden. Doch auch wenn diese im ersten Augenblick als lustig erscheinen, ist nicht der Hintergrund der aktuellen Situation zu vergessen. Auch die Gefahr, die die Sozialen Medien mitbringen können ist nicht zu unterschätzen. Können doch gefälschte Videos und Bilder eine tragende Rolle spielen. Erinnern wir uns nur an ein historisches Event zurück, was zum Anfang eines Krieges führte.
Wie es weitergeht, ist für mich zu mindest, nicht einzuschätzen.
Bildquellen: Amit Sengupta; The Washington Post; private