Kaduko

gezeichnet von Catherine Fritz

Keine Antwort. Nichts passiert, es bleibt still. Hinter der Tür ist nichts zu hören, und sie bleibt geschlossen. Keine Domenica, die sie öffnet.
„Ich hoffe, es geht dir gut da drinnen, ich sperr mal die Tür auf, dann…“
„Pssssst! Nicht so laut, du willst doch nicht den Schulwart wecken“, ertönt plötzlich eine Stimme wie aus dem Nichts. Eine helle, krächzende Stimme. Eine ungewohnte Stimme, nicht die von Domenica.
„Ist da jemand?“ Domingo dreht sich um und mustert den dunklen Gang.
„Dort ist niemand, aber hier ist jemand!“
„Aah!“ Domingo erschrickt. Durch den Türspalt lugt ein kleiner Vogel.
„Woher kommst du denn, dich kenne ich doch noch gar nicht?“ fragt Domingo.
„Ich bin ein Freund von Domenica, und ich …“ – kurzes Zögern – „… ich bin heute angekommen. Domenica hat mich über die Weihnachtsfeiertage bei sich eingeladen.“
„Hmm, ich frage mich, warum Domenica mir das noch nicht gesagt hat.“ Domenica erzählt ihm sonst immer alles. Jedes einzelne Detail aus ihrer aufregenden Lebensgeschichte kennt er. Sie erzählt ihm sogar, wann sie staubsaugt. Das liegt aber auch daran, da ihr kleiner Staubsauger nicht für die exorbitanten Staubmengen am Dachboden gemacht ist. Und sonst merkt ja niemand, dass sie versucht sauberzumachen.
Jetzt steht vor ihm ein Vogel, ein Kakadu, der von sich behauptet, er sei mit ihr befreundet.
„Ähh, ja, das… Vielleicht hat Domenica nur einfach vergessen, dass ich komme.“
Der Kakadu, der vor ihm steht, ist nicht besonders groß. Aber bunt, ja, bunt, das ist er. Er sieht auch recht intelligent aus. Nicht, dass man Leute nach ihrem Aussehen beurteilen sollte, nein, nein. Schon gar nicht, wenn es irgendein Vogel ist, der behauptet, er kenne seine beste Freundin. Trotzdem scheint er so, als würde er etwas wissen. Denn aus biologischen Gründen ist ja bekannt, dass Kakadus nicht dumm sind. Neugierig sind sie sowieso – eh klar. Aber Domingo ist jetzt auch neugierig, was mit Domenica ist, also fragt er:
„Apropos Domenica – weißt du, wo sie jetzt gerade ist?“
„Ah, Domenica kann jetzt gerade nicht. Sie fühlt sich noch zu müde – du weißt ja, ich bin heute erst angekommen, und es war elf in der Nacht. Ich bin nämlich einen Tag zu früh hier. Aber Domenica hat morgen sicher wieder Zeit.“
„Woher kennst du Domenica eigentlich? Sie hat mir nie etwas über dich erzählt.“
„Ja, das ist eine sehr lange und komplizierte Geschichte. In Kurzfassung: Ich kann ich dir sagen, dass Domenicas Cousin Achten Grades mich als kleiner Vogel aufgezogen hat. Sie haben mich an diese Schule geschickt. Domenica habe ich nur kurz nach ihrer Geburt das erste Mal gesehen. Ich bin jetzt aber viel zu müde, dir alles genauer zu erzählen.“
„Das verstehe ich. Wie heißt du eigentlich?“
„Ich bin Kaduko.“

So, so, Kaduko heißt der Gute. Nie gehört. Aber das ist wieder einmal so ein typischer Name für einen Kakadu. Domingo hat noch so viele Fragen, aber weiß nicht, wo er beginnen soll. Er beschließt, morgen mehr über ihn herauszufinden, er hofft mit Domenica.
„Schön, dich kennengelernt zu haben, Kaduko. Wir sehen uns wahrscheinlich Morgen mit Domenica wieder, oder?“
„Äh, ja, in der Früh bin ich aber noch nicht dabei, weil ich noch etwas erledigen muss“, sagt Kaduko etwas zögerlich, bevor er fortsetzt „Warte kurz, ich muss dir noch etwas sagen. Wusstest du, dass wir im Biologiesaal ein Skelett haben?“
„Ja, sicher, das Plastikskelett.“
„Es ist aber nicht irgendein Skelett. Es kann, denken, sich bewegen und vieles mehr. Falls du irgendwann auf ihn triffst, vermeide, mit ihm zu reden. Erwähne vor allem nicht, dass ich wieder hier bin. Wir kennen uns schon von aus früheren Zeiten…“
Soso, mit dem Fake-Menschen-Gerüst ist er also mal nicht befreundet. Verständlich, Menschen sind kompliziert. und wie ein Pferd entgegenlachen und die Zähne zeigen kann jeder. Aber dass das Ding sich auch bewegen kann, das war Domingo neu.
„Oha, wieso habe ich ihn noch nie getroffen? Ich bin hier schon seit über einem Jahr.“
„Ich weiß es nicht. Ich werde dir und Domenica morgen noch mehr darüber erzählen.“
„Hmm, okay, dann bis morgen.“

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