1931 maturierte er hier. Nirgendwo anders als im (damals nur) Realgymnasium Hagenmüllergasse. Das war vor 91 Jahren. Und heute? Heute ist er tot – kein Wunder nach dieser langen Zeit. Allerdings starb er schon mit 26 Jahren… Von wem ist hier eigentlich die ganze Zeit die Rede? Von Jura Soyfer, dem Autor zahlreicher Theaterstücke und politischer Texte.
Im Unterricht wird Soyfer am GRg3, wenn überhaupt, nur in einem halben Nebensatz erwähnt. Das war’s aber auch schon. Deshalb war es umso spannender, als am 12.12 um 12:12 eine Collage über ihn präsentiert wurde.
Jura Soyfer wurde am 8. Dezember 1912 in Charkiw in der Ukraine geboren. Heute, im Jahr 2022, gibt es massive Angriffe auf Charkiw. Russische Bomben fallen auf die Stadt. Stromausfälle sind keine Seltenheit mehr, Generatoren müssen aushelfen – und die sind knapp. Die Menschen sitzen in U-Bahn-Stationen bei Eiseskälte. Das ist die heutige Situation. Damals, im Jahr 1920, fliehen Jura Soyfer und seine Familie vor der roten Armee. Sie kommen 1921 in Wien an. Mit zehn Jahren besucht er die 1. Klasse, wie schon erwähnt, am Realgymnasium Hagenmüllergasse.
Mit 15 Jahren tritt Soyfer dem Verbund Sozialistischer Mittelschüler bei. 1929 wird er Mitglied beim Politischen Kabarett der Sozialdemokraten und erlernt das szenische Schreiben. Nach dem Absolvieren seiner Matura erscheint wöchentlich in der Arbeiter-Zeitung seine politische Satire, ebenso in „Der Kuckuck“ (eine sozialdemokratische Wochenschrift).
1934 wird er Mitglied der illegalen KPÖ und verfasst Slogans für Flugblätter. Ein Jahr später lernt er den Schauspieler und Regisseur des Wiener Theaters ABC kennen. In diesem Theater werden in weiterer Folge auch zahlreiche seiner Stücke aufgeführt.
Während dieser Zeit (und davor und danach) verfasst er auch zahlreiche Briefe an seine Freundin. Diese werden bei der präsentierten Collage ebenso gelesen – von Jaschka Lämmert. Dies bringt die privat-persönliche Note Jura Soyfers hinein. Durch die musikalische Begleitung am Cello – gespielt von Anna Starzinger – wirkte das Gelesene noch lebendiger. Hinzu kommt, was das Ganze noch so besonders machte, der Bezug zur Gegenwart. Neben einigen bekannten Stücken (wie „“Bella Ciao“, „Die Internationale“, „Die Moorsoldaden“, die amerikanische Hymne, Schubert Ständchen,…) sind auch von der Cellistin selbst geschriebene Stücke zu hören. Das gesamte Konzept stammt von Susanne Höhne.
In puncto Aktualität bemerkt Jaschka Lämmert in einem interview mit dem BLOG: „Ich war [am Anfang] immer noch skeptisch und dann haben wir das mal angefangen zu lesen. Und das hat mich so erwischt, weil angesichts der aktuellen politischen Ereignisse jetzt, dachte ich: Wahnsinn, das ist so aktuell, also ich kriege Gänsehaut, bei manchen Stellen. Jedes Mal aufs Neue, weil sich die Sachen teilweise so wiederholen, also so vertraut sind, ja… 1932, wo er [Jura Soyfer] über den Hitler sagt: ,Über den Pathologen, den Geistlosen braucht man sich keine Sorgen machen und ich als Jude, das sind nur Unkenrufe.‘„
1937 wird Jura Soyfer festgenommen – (noch) nicht wegen Hitler, er ist mit einem führenden kommunistischen Funktionär verwechselt worden. Nach einigen Monaten wird er freigelassen. 26 Tage in Freiheit – dann der Anschluss. Doch zu spät. An der österreichisch-schweizerischen Grenze wird er festgenommen. Von dort Verbringung in das KZ Dachau und in weiterer Folge in das KZ Buchenwald. – Wo er am 16. Februar 1039 an Typhus stirbt.
„Und wie wir jetzt auch rückblicken (…) auf ein paar politische Geschehen (…): Haben alle zugeschaut? Und es ist ja auch noch nicht vorbei, das geht ja auch noch weiter. So gesehen fand ich es auch sehr wichtig und sehr passend und aktuell, dass man das jetzt macht.“ – resümiert Jaschka Lämmert.
Warum Jura Soyfer? Susanne Höhne erklärt: „Wir fanden den Dichter einfach toll. Wir mochten ihn. Und dann waren wir sehr froh, dass uns der Herr Direktor eingeladen hat und wir das hier machen.“
Die derzeitige Schüler*innen-Generation des GRg3 hat nun einen wichtigen Absolventen des GRg3 kennengelernt. In regelmäßigen Abständen wird ihm am Erdberger Gymnasium gedacht: So wurde 2014 das Stück „Der Weltuntergang“ aufgeführt; 2001 ein filmisches Portrait geschaffen und 1999 die Gedenktafel neben dem Schultor angebracht. Für Jura Soyfer. Zum Gedenken. Niemals vergessen.
Jaschka Lämmert; Robert Baldauf; Anna Starzinger; Susanne Höhne