Ein halbvolles Häferl ohne Inhalt (Teil 3)

Bobby sitzt zu Hause vor seinem Schreibtisch. Draußen ist es schon dunkel. Es schneit leise vor sich hin. Leise rieselt der Schnee, usw. usf. Dächer, Straßen, Bäume, Wiesen, Autos und der Plastik-Müll im Schulhof werden mit einer feinen Schicht überzogen. Einer Schneeschicht. Nein, einer Mikroplastik-Schicht. Einer Schnee-Mikroplastik-hybrid-Schicht. Ein schönes Gemisch. Dieses schmilzt irgendwann. Nur die Mikroplastikpartikel verändern ihren Aggregatzustand nicht. Eventuell nehmen sie sogar noch kleine Stücke von der PET-Flasche mit. Die Fortpflanzung wäre somit erfolgreich abgeschlossen.

Er sitzt immer noch vor seinem Schreibtisch. Neben ihm steht ein Häferl randvoll mit heißem Tee. Sie dampft. Das merkt er gerade nicht, da der Schnee ihn ablenkt. Das haben die dicken weißen Flocken auch schon während dem Unterricht getan. Alle Schüler*innen sind zum Fenster gelaufen und haben rausgeschaut. Das passierte alles ganz plötzlich. Die Professorin war ganz verwundert und stand perplex da. Sie war sprachlos. So motiviert hat sie ihre Klasse noch nie erlebt. Und das nur wegen ein bisschen Schnee. Die restlichen zehn Minuten des Unterrichts konnte sie jedenfalls kübeln.

So wie man das eigentlich mit seinen Plastik-Verpackungen machen sollte. Aber es gibt immer noch Leute, die ihren Abfall irgendwo entsorgen. Im GRg3 Schulhof liegt fast mehr Müll herum als auf einer Deponie. Oft sind’s kleine Zuckerl-, Lutscher-, Schoko-, Kaugummi-, Riegel-Verpackungen. Aber wie sagt man so schön: Kleinvieh macht auch Mist. Aber es gibt auch einige größere Kaliber, wie PET-Flaschen, Plastik-Schüsseln, Folien, Lautsprecherboxen etc. Ansonsten gibt’s auch vergessene FFP2-Masken oder auch Automatenbecher.

So ein dunkelblauer Plastikbecher steht jetzt auch auf dem Lehrertisch. Denn die Frau Professorin hat sich schnell den Blutorangentee vom Automaten geholt. Jetzt kann sie abwarten und Tee trinken. Bis zur Pause haben sich alle am Schnee sattgesehen. Der Becher der Prof. war nur mehr halbvoll. Es ist eindeutig: Es sind immer noch die Automatenbecher aus dem Jahre Schnee. Einweg-Plastik-Geschirr ist doch in der EU verboten. Seit 2021. Er hat sogar schon einmal Buffetbetreiberinnen gefragt, wieso, weshalb, warum:

Er: „Warum gibt es beim Kaffee-Automaten immer noch Plastik-Becher?“
Sie: „Das kann ich dir nicht sagen. Ich bestelle die nämlich nicht.“
Er: „Ähm…“

Um sich nicht zu echauffierten, schaut er mal im Internet nach, welche Regeln die EU denn da aufgestellt hat. Er nimmt den ersten Schluck aus seiner Tasse. Seit 3. Juli 2021 sind folgende Sachen verboten: Wattestäbchen, Plastik-Besteck, Teller, Trinkhalme, Rührstäbchen und Luftballonstäbe. Sowie bestimmte Verpackungen aus Styropor. Ab 2024 darf der Deckel nicht von der Flasche lösbar sein. Ja lol. Was ist mit den Bechern? Nun er scrollt weiter und bemerkt, dass alles komplexer und komplizierter ist, als man denkt. Es gibt mehrere Kategorien:

  • Verbrauchsminderung („eine ehrgeizige und dauerhafte Verminderung des Verbrauchs“): Getränkebecher, Lebensmittelverpackungen (von Take-away Gerichten; bzw. Verpackungen, aus denen gegessen wird & das Essen nicht weiter zubereitet werden muss)
  • Beschränkung des Inverkehrbringens („verbieten des Inverkehrbringen der […] angeführten Einwegkunststoffartikel und von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff [Anm.: Plastik, das durch UV-Strahlung, Wärme und Sauerstoff in kleineste Stücke zerfällt. Baut sich aber NICHT komplett ab].“): Wattestäbchen*, Besteck, Teller, Trinkhalme*, Rührstäbchen, Luftballonstäbe, Lebensmittelverpackungen aus Styropor, Getränkebehälter/-becher aus Styropor
    (*ausg. jene der Richtlinie 90/385/EWG oder 93/42/EWG)
  • Produktanforderungen (Verschlüsse und Deckel müssen am Behälter befestigt sein): Getränkebehälter (Glas/ Metall) mit Kunststoffdeckeln
  • Kennzeichnungsvorschrift: Hygieneeinlagen, Fechttücher, Tabakprodukte/-Filter, Getränkebecher
  • Erweiterte Herstellerverantwortung i
  • Produktanforderungen i
  • Sensibilisierung i

i Details auf europa.eu nachlesbar.

Das wären mal die wesentlichen Fakten aus dem über 10 000 Worte langen Gesetzestext. Die Kunststoff-Automatenbecher sind also nicht verboten. Aber eine dauerhafte Vermeidung ist vorgesehen. 2026 müssen quantitative Veränderungen im Vergleich mit 2022 messbar sein. Bei den Automatenbechern wird jedenfalls nicht eingespart. Ob sich bis 2026 etwas ändern wird? Sie haben ja eine ganz rechtskonforme Kennzeichnung: die Schildkröte, die ihren Kopf hängen lässt. Zurzeit ist also alles legal.

Bobbys Heferl ist nun komplett leer. Immerhin sind wir in Wien, wo Plastik gut entsorgt und verbrannt werden kann. Und was ist mit recycelt? Ja, das auch. Aber das funktioniert nur bei einem geringen Teil. Denn zum Großteil ist das Plastik aber so minderwertig, dass es sich nicht recyclen lässt. Es geht einfach nicht. Keine Chance.

Für Interessierte: Doku über das Plastikproblem „Plastik – Die Recycling-Lüge“, erstmals ausgestrahlt im Juni 2022 im NDR.

Dies war der letzte Teil von „Ein halbvolles Häferl ohne Inhalt“

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Rillen hat der Plastik-Automatenbecher.

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